Gegen Gewalt an Frauen! - Zusammenarbeit mit Swayam
Calcutta Rescue hat Anfang 2018 eine Zusammenarbeit mit der Nichtregierungsorganisation Swayam begonnen, um alle Mitarbeitenden in der Erkennung und Prävention von geschlechtsspezifischer Gewalt (Gender Based Violence, GBV), also in erster Linie von Gewalt gegen Frauen, zu schulen.
Geschlechtsspezifische Gewalt beinhaltet häusliche Gewalt, erzwungene sexuelle Initiation, Zwangsheirat, Gewalt durch Schwiegereltern, Mitgifttod, erniedrigende Witwenschaft, Frauenfeindlichkeit, Abtreibung von weiblichen Feten und Kinderprostitution. Geschlechtsspezifische Gewalt ist ein wichtiges Anliegen der öffentlichen Gesundheit und ein ernstes Menschenrechtsproblem.
Täglich werden in Indien 311 Frauen gefoltert, 116 entführt und 95 vergewaltigt (Statistik 2015). In Wirklichkeit ist dies nur die Spitze eines riesigen, weitgehend unbeachteten Eisbergs. In Indien sind fast alle Frauen direkt oder indirekt von Gewalt betroffen. Sie reicht von sexueller Belästigung im öffentlichen Raum bis hin zu häuslicher Gewalt. Westbengalen führt dabei die nationale Liga der Schande an. Die Leiterin des Behindertenprojekts von Calcutta Rescue schätzt, dass 90% der Mütter der Kinder im Projekt Opfer häuslicher Gewalt geworden sind. Auf die Frage, warum es so viel Gewalt gegen Frauen gebe, antwortet Amrita Das Gupta von der Organisation Swayam bei einem Treffen in der Talapark-Ambulanz: „Männer üben Gewalt aus, weil sie es können, weil sie damit durchkommen. Der Grund wurzelt im Patriarchat. Es ist das patriarchale System, das Männer lehrt, dass es in Ordnung ist, Frauen auf diese Weise zu benutzen. Dieses System muss durchbrochen werden.“
Das ist keine leichte Aufgabe. Seit 23 Jahren versucht Swayam auf vielfältige Weise, genau das zu tun. In Kalkutta gegründet, ist die Organisation Swayam heute in ganz Indien präsent und international als Pionierin auf diesem Gebiet anerkannt. Sie geht das Problem an vielen Fronten an: Von der Unterstützung und Verteidigung von Überlebenden häuslicher Gewalt bis zu Kampagnen und Lobbying in wichtigen politischen Bereichen wie Kinderheirat; von der Veröffentlichung von Büchern und Flugblättern bis hin zur Schulung von Studierenden.
Ziel ist es, die Überlebenden zu „Verfechterinnen des Wandels“ in ihren Gemeinden zu machen. Eine der effektivsten Methoden besteht darin, Frauengruppen zu bilden, die sich engagieren, Gewalt gegen Frauen in ihrer Nachbarschaft zu verhindern und die vorherrschende Meinung zu ändern. Der Stadtteil Chitpur zum Beispiel, in welchem Calcutta Rescue die Lepra-Ambulanz betreibt, ist als konservatives muslimisches Gebiet bekannt. Doch man sieht dort Frauen mit Kopftuch auf der Straße, die per Megaphon die Botschaft verbreiten, dass keine Form von Gewalt gegen Frauen toleriert würde. Letztes Jahr begann Swayam auch mit Männern und Jungen zu arbeiten, denn solange diese sich nicht ändern, wird sich nichts ändern.
Gemäss Amrita sind Analphabetismus, Alkohol, angeschlagene psychische Gesundheit und Armut Faktoren, welche den Missbrauch fördern können. Alle sozialen Klassen und Einkommensgruppen sind betroffen. Sie sagt, die meisten indischen Frauen sprächen nicht über die durch Männer erlittene Gewalt, weil dies mit einem sozialen Stigma verbunden sei. Manchmal würden Frauen von ihren eigenen Familien zurückgewiesen, weil sie sich darüber geäußert haben. Viele fühlen sich in ihrer Beziehung verwundbar und die meisten wollen, dass die Gewalt aufhört, aber nicht ihre Beziehung. Oft suchen die Frauen eine/n Ärztin/Arzt auf. Sie berichten dann zwar über Kopfschmerzen, nicht aber über das eigentliche Gewaltproblem. Hier kann Calcutta Rescue eine Schlüsselrolle übernehmen, indem die Opfer identifiziert werden und ihnen mit Rat und Tat zur Seite gestanden wird. Amrita sagt: „Das ist sehr wichtig und wir freuen uns sehr, mit Calcutta Rescue zusammenzuarbeiten.“
Von Isabelle Hug, Stiftung Calcutta Rescue Schweiz